Mittwoch, 25. Dezember 2024

Spass bei der Musterung

Also los ging die ganze Sache so ca. 2 Monate nach meinem 17. Geburtstag. Da bekam ich auf einmal nichtnur Post von nervigen Leuten mit DNS-Ähnlichkeiten sondern auch noch vom Ministerium für Abenteuerspielplätze in Entwicklungsländern. Die meinten also, ich sollte den anbeiliegenden Bogen wahrheitsgemäss ausfüllen. Naja, zu diesem Zeitpunkt war mir wahrscheinlich alles sooo egal, dass ich mich wirklich gefreut habe. Da will jemand mit mir spielen? Sag‘ ich nicht nein zu. Erstmal angerufen und gemeint, ich könnte nicht lesen & hätte den Brief eh nicht bekommen. Der Sachbearbeiter war verwirrt. Nachdem ich den Bogen dann insgesamt 3 mal besaß, füllte ich alle drei aus. Da mir jeweils noch ein „Empfänger zahlt Porto“-Couvert an’s Kreiswehrersatzamt zustand, empfand ich es als durchaus patriotisch und durchaus sinnvoll, diese Briefe auch zu nutzen. Nun hatte mein Sachbearbeiter diese drei Bögen, einen Liebesbrief und ein Nacktfoto von Mariella Ahrens. Natürlich bekam ich einen vierten Bogen, denn irgendwie kamen diese militärisch-souveränen Schlaufüchse dann wohl doch auf die Idee, jemand der bei „Name:“ so schicke Sachen wie „Geilsaft Joe“ oder „Suckobert Fuck“ einträgt und bereits im Phantasialand Wehrdienst geleistet hat, könne wohl auch die restlichen Angaben nur schwerlich wahrheitsgemäss beantworten. Den vierten Bogen habe ich dann in den Mülleimer geschmissen. Nun kam vor ca. 1 Monat mein Musterungsbescheid. Und hier beginnt eigentlich der Hauptspass.

Am Vortag der Musterung hab‘ ich eigentlich nur zwei Packungen polnische Zigaretten geraucht, zweieinhalb Sixpacks Bier getrunken und fast nichts gegessen. Körperlich war ich also am folgenden Morgen ein absolutes Wrack. Dann noch das Frühstück weggelassen und fertig war die Inkarnation aller Misanthropie, die in meiner Brust tobte. Der Termin war für 7.00 angesetzt, um 10.30 stand ich vor dem Kreiswehrersatzamt. Sonnenbrille an, nicht geduscht, keine Sportzeug dabei, Digitalkamera auf Bundeswehrgelände. Ich war mir eigentlich ziemlich sicher, die Checkliste durchgegangen zu sein, nichts vergessen zu haben und mich auf den Spass stürzen zu können.

Als erstes fing ich an, alles zu fotografieren. Natürlich auf Gelände unserer Freunde von der GeStaPo nicht gern gesehen, aber ich hatte eigentlich vor diesen Bericht mit Fotos zu verzieren. Meine Kamera musste ich nach 10 Minuten unter Androhung von Gewalt abgeben. Schade. Aber die beiden juvenil-trendigen Hippie-Soldatenmäuschen an der Rezeption dieses martialistischen Luxusbordells waren auch lustique, wie der frankophile Teil meiner Seele zu schreien scheint. Bermerkt jemand die Verdichtung an Fremdwörtern? Genauso begann ich meinen „Ich geh euch allen auf die Klöten“-Feldzug gegen das Personal. Sonnenbrille weiterhin auf, schrecklich jovial und so ziemlich das arroganteste Miststück überhaupt. Ich habe mich geliebt, in diesem Augenblick. Einfach herrlich. Nun die Dialoge an den einzelnen Stationen (auszugsweise):

1. Datenaufnahme:

Soldatenbürschchen1: „Name?“
Ich: „Die Uniform steht Ihnen, mein postlobotomischer Freund!“
Soldatenbürschen 1 & 2 kichern
Soldatenbürschen2: „Wie heissen Sie?“
Ich: „WAS GEHT SIE DAS VERDAMMTNOCHMAL AN?“
Soldatenbürschen1: „Äh… Entschuldigen Sie, aber wir müssen das wissen.“

Ich erzähle ihnen dreimal Blödsinn woraufhin sie dreimal die unendliche Dummheit aufbringen, tatsächlich in ihren Unterlagen nach „Brauner, Hans“ und derartigen Wortwitzen zu suchen. Ich darf mich schlussendlich setzen, flirte aber immernoch – ich Päderast ich – mit Soldatenbürschchen 1 & 2. Diese Luder…

2. Ärztliche Untersuchung (Auszüge):

Medizinmann: „Haben Sie Drogenerfahrung?“
Ich: „Ja, Sie auch?“
Medizinmann (verstört): „Was denn so?“
Ich erzähle von jeder Droge die mir gerade einfällt. Halte Blickkontakt und lächle nicht. Er frisst es. Mir fällt zu spät ein, was ich vergessen habe:
Medizinmann (schluckt): „Auch Heroin?“
Ich: „Hab‘ ich nur mal verkauft.“

Danach hatten wir noch Spass mit Kniebeugen (ich erwähnte die starken Zigaretten, oder?), einer Unterhaltung über den Natursekt Fetisch des Arztes – „Urin in Pappbechern? Wenn Sie mir gesagt hätten, dass Sie auf sowas stehen, hätte ich Ihnen ein Glas mitgebracht.“ – und meine Blutzuckerwerte. Er meinte, ich solle mich anders ernähren. Wirklich kluger Mann.

3. Ethisch-moralische Untersuchung (Auszüge):

Miliz-Mama betritt den extrem martialisch dekorierten Raum. Eine absolute Turboemanze im Indio-Look. Mein Puls macht sich bemerkbar. Ich muss seit 2h dringend lachen und habe es bisher ausgehalten. Nach dieser Untersuchung ist Pause, aber es wird schwer.

Miliz-Mama: „Könnten Sie auf Menschen schiessen?“
Ich: „Ja, ich will!“
Miliz-Mama: „Wie bitte?“
Ich: „Ich meine… Klingt ja saugeil, wo muss ich unterschreiben?“
Miliz-Mama: „Auch auf unschuldige Menschen?“
Ich: „Klar. Ich glaube sowieso nicht an sowas wie Unschuld. Christlich-dogmatischer Blödsinn.“

Die Tante wird allmählich nervös. Ich merke dass ich dringend etwas frauenfeindlicher werden muss. Mein inneres Lachen ist inzwischen verstummt – es hat Blut in der Lunge.

Miliz-Mama: „Welcher Religion gehören Sie an?“
Ich: „Papiere-technisch bin ich evangelisch, aber konfessionell Mormone.“
Miliz-Mama (lächelt, will Small Talk anfangen um die Situation abzukühlen): „Ach, Mormone? Die kenne ich nur aus dem Fernsehen… “
Ich: „Naja.. Promiskuität, freier Ephedringebrauch und Frauen ohne Stimmrecht. Was gibt’s besseres?“

Miliz-Mama hält mir eine feministische Predigt über die Notwendigkeit eines Frauenwahlrechts. Ich kontere und verkneife mir dabei verzweifelt das Lachen. Schrecklich schwer.

Miliz-Mama: „Sind Sie rechtsextremer Gesinnung?“
Ich: „Das ist schwer. Ich trauere zwar um den Führer, aber bin ich deshalb gleich Nazi?“
Miliz-Mama (schluckt): „Sie halten Adolf Hitler also für eine grossartige Person?“
Ich: „Wollen Sie das etwa bestreiten?“

Miliz-Mama erhält daraufhin 5 Minuten Nachhilfe in Führerkunde und entlässt mich dann. Ich gehe draussen vor die Tür und lache minutenlang bis ich Angst kriege, mein Zwerchfell könnte reissen. Sollte es einen Gott geben, hat er mit mir gelacht. Herrlichstes Entertainment seit mittlerweile 3h. Göttlich.

4. Abschlussgespräch:

Sachbearbeiter: „Nun, Herr [lalala], Sie werden ausgemustert. T5. Sie müssen weder zu Bund noch Zivildienst.“
Ich: „Och, schade.“

Dies war mit Abstand einer der lustigsten Tage in meinem Leben. Ich danke der Bundeswehr für soviel Spass zum Nulltarif.