Mittwoch, 25. Dezember 2024

Ein gelungener Tag

Mein Tag beginnt um vier Uhr morgens. Ich liege im Bett und lausche der Toilettenspülung des Gäste-WCs, wie die Fluten versuchen die braune Insel meines Vaters in den Abgrund zu reißen. Während sich der Spülkasten wieder füllt, erreicht das Zischen der Duftsprayflasche mein Ohr. Die Tür des Klos schließt sich und es kehrt wieder Ruhe ein.

Gegen fünf Uhr höre ich, wie sich die Haustür schließt. Exakt sechseinhalb Minuten später, vernehme ich ein Kratzen in schneller Folge an meiner Tür. Die Katze. Fest entschlossen den verlausten Mitbewohner für diesen Frevel zu verprügeln, bleibe ich liegen, greife nach meinen linken Hausschuh und katapultiere diesen an die Tür. Es herrscht wieder friedvolle Ruhe.
Es folgt ein gedankenfreies Starren an die Decke. Um sechs Uhr beginnt mein allmorgendliches Ritual, das dem meines Vaters stark ähnelt. Gegen halb sieben betätige ich dann die Spülung, entledige mich meiner Kleidung und gehe duschen. Viertel nach sieben ist auch diese Tätigkeit beendet. Da ich meiner empfindlichen Haut kein Handtuch zumuten will, begebe ich mich, zwecks Lufttrocknung, zum Balkon.
Ich hebe meine Arme in eine Mosesgleiche Pose und schicke einen lauten Afterwind aus, um mir Gehör zu verschaffen. Nachdem ich nun die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Grundschüler und deren Eltern genieße, begrüße ich die vor mir Versammelten mit einem freundlichen „Einen wunderschönen guten Morgen“. Ich lasse die Blicke der Entsetzten noch einige Augenblicke auf mir ruhen, bevor ich mich, nun trocken, wieder in die Wohnung begebe und ankleide.

Gerade als ich den letzten Schuh angezogen habe, läutet die Türglocke. Vermutlich mein Fahrdienst zur Schule. Ich öffne die Tür und stehe zwei Polizisten gegenüber. Diese fahren mich mit einem kleinen Zwischenstop beim Bäcker, wo ich mir von Wachtmeister Müller gleich mein Frühstück, ein Salamibrötchen, mitbringen lasse, zum Revier.
Nachdem die freundlichen Polizisten meine Personalien aufgenommen haben, verlasse ich die Polizeistation Richtung Schule. Auf dem Weg dorthin mache ich an einer Dönerbude halt und bestelle mein zweites Frühstück. Nach dem Verzehr der orientalischen Delikatesse kaufe ich mir am Kiosk nebenan ein Bier zum Nachspülen. Da man ja bekanntlich nach einer guten Mahlzeit ruhen soll, begebe ich mich zum Unterricht.

Warum ich eine Stunde zu spät komme, werde ich kurz nach dem Durschreiten der Tür von einem kleinen, halbverhungerten, in einem Holzfällerhemd gekleideten Brillenträger, der sich wahrscheinlich für eine Autoritätsperson hält, gefragt. Ich unterdrücke ein Lachen, murmel etwas in meinen drei-Tage-Bart und setzte mich neben ein kleines, untersetztes, dazu noch außerordentlich häßliches Irgendwas. Bevor ich mit diesem Zwittergleichen Wesen eine Konversation starte, fange ich lieber an den Unterricht mitzugestalten. Ich starte also mein anarchistisches Kontrastprogramm, um den Unterricht aufzulockern und meinen Mitschülern eine Alternative zum Lehrplan zu bieten. Ich flirte ein bisschen und demonstriere meine Körperbeherrschung, indem ich abwechselnd aus meinen primären Körperöffnungen Luft entweichen lasse. Als die ersten Methanwolken den Hobby-Holzfäller erreichen, färbt sich seine helles, fast geisterhaft weißes, Gesicht grünlich. Dann vor Wut rot. Ich werde aufgefordert den Unterricht vorzeitig zu verlassen.
Die verbleibenden zehn Minuten der Unterrichtszeit verbringe ich auf dem Mädchenklo. Von den Oberstufenschülerinnen ignoriert, von denen der Mittelstufe akzeptiert und von den Mädchen der Unterstufe entsetzt angestarrt, pinkel ich in das Waschbecken. Es folgt ein feuchter Furz. Da mir aber das Schulklopapier schon immer zu rauh war, entscheide ich mich jenen Klecks einfach trocknen zu lassen. Angewiedert von dem Waschbecken gehe ich auf das Jungenklo nebenan und wasche mir die Hände, man ist ja schließlich kein Schwein.

Die Klingel klingelt. Auf zum Biologieraum. Dort will ich meine Kritiker mit Wissen und gutem Benehmen beeindrucken. Kurz nach dem Betreten der Schülerfolterkammer begebe ich mich zum Aquarium und füttere die Fische. Das Bier war wohl doch zu früh. Leicht geblässt setze ich mich hin und hauche meine Tischnachbarin an, erhalte als Reaktion eine Ohrfeige und konter selbst mit einer geraden Rechten. Die Lehrerin schaut mich erst verdutzt an, kommt dann aber grinsend auf mich zu. Mit der Erwartung auf einen Schulterklopfer als Lob für diese heroische Tat, setze ich mich aufrecht hin. Es kommt jedoch zu keinem Schulterklopfen, stattdessen erhalte ich meine zweite Ohrfeige an diesem Tag. Mit der bewehrten geraden Rechten wird abermals gekontert. Zwei K.O.s in einer halben Minute. Mann, bin ich heute gut drauf.
Da die Lehrerin sich für die Bewusstlosigkeit entschieden hat, sehe ich keinen Grund dafür meine kostbare Zeit noch länger hier zu vergeuden. Ich mach mich vom Acker.

Im Raucherbereich der Sekundarstufe II angekommen, schnorre ich mir einen Glimmstengel und berichte meinen Mithäftlingen des Bildungswahn von meinen bisherigen Glanztaten des heutigen Tages. Bei der zweiten Kippe kommt eine musäugige und vorallem schlecht gelaunte Biologielehrerin, flankiert von zwei großen kräftigen Sportrefrendaren, auf mich zu maschiert. Ich verhalte mich diplomatisch und werde darauf zur Direktorin eskortiert.
Nach einer altbekannten Standpauke und der Androhung eines Schulverweises, lasse ich meinen Charme spielen. Es ist nicht schwer die sechzigjährige, sexuell frustrierte Direktorin zu verführen und schon steht sie in Unterwäsche da. Schnell ein paar Schnapschüsse mit dem Handy gemacht, der Androhung diese zu veröffentlichen und schon habe ich für den Rest meiner Schullaufbahn Narrenfreiheit.
Ich stolziere aus dem Direktorenbüro und zwinker der wutschnaubenden Biologin zu. Sie stürzt sich auf mich, stellt aber keine Bedrohung dar, da ich einfach einen Schritt seitwärts mache. Der mit Wissen angerreicherte Kopf knallt dumpf gegen die Wand. Während sie wieder bewusstlos am Boden liegt empfinde ich für den Bruchteil eines Augenblicks Mitleid. Dieses Mitleidgefühl wird aber schnell durch pure Schadensfreude ersetzt als ich sehe wie eine stattliche Beule auf ihrer Stirn heranwuchert. Mit einem Grinsen setze ich meinen Weg zur Sporthalle fort.

Meine Kleidung stinkt sowieso schon, also sehe ich keine Notwendigkeit mich umzuziehen. Da ich mich alleine in der Halle langeweile, entschliesse ich mich in der Mädchenumkleidekabine nachzufragen, wann die Damen gedenken mir Gesellschaft zu leisten. Ich klopfe wie ein Gentelman an und öffne die Tür. Leider erblicke ich das zwittergleiche Irgendwas. Nackt. Geblendet und mit einem aufsteigenden Übelkeitsgefühl taumele ich rückwärts die Treppen hinab. Mein Augenlicht kehrt zurück. Das Kotzgefühl bleibt.

Mittlerweile haben sich einige Exemplare des Zipfelgeschlechts in der Turnhalle eingefunden. Während wir uns mit einem Basketball beschäftigen, lausche ich den Gesprächen meiner Mitsportler. Ich erfahre, dass es heute Abend in der Schule eine Party geben soll. Jeder darf kommen. Der Haken an der Sache: Eintritt. Da ich mein letztes Geld in das Hopfen/Malz-Fischfutter investiert habe, stehe ich vor einem finanziellen Problem. Mein nächstes Ziel: Geldbeschaffung.

Nach dem ereignislosen, jedoch flatulenzreichen Sportunterricht, lasse ich mich kostengünstig von einem Mitschüler in die Stadt fahren. Wo und wie kann ich jetzt zu Geld kommen? Bahnhof? Nee. So dringend brauch ich das Geld nicht. Ein Geistesblitz durchzuckt mich. Die Fotos. Nächster Halt: Zeitung. Für die ekligen Fotos bekomme ich nur ein paar Euro. Mit der dazugehörigen Geschichte gibts schon mehr. Mit Fünfhundert Euro in der Tasche bin ich gerüstet. Auf zur Schule.
Dort angekommen kommt die Ernüchterung. Auch die Lehrerschafft ist an wesend. Naja. Wenigstens potentielle Mitspieler für Saufspiele. Auf meinem Erkundungsrundgang durch die schick dekorierte Aula werde ich von dem Musikgeschmack eines vierzehnjährigen Nachwuchs-DJs, oder besser gesagt einem Arschkriecher aus der achten Klasse, gequält. Auf Wolfgang Petry folgt Modern Talking. Das Sixpack Bier, das ich auf den Weg hierhin geleert habe, steigt auf. Mit einem kräftigen Schluck aus der Kräuterflasche beruhige ich meinen Magen wieder.
Ich begebe mich Richtung Theke. Dort angekommen zeigt sich mir ein recht interresantes Bild. Zwei Stehtische mit reichlich leerer Bierflaschen. Am rechten Tisch die Mathematikerabteilung der annonymen Alkohliker, am linken die Vereinigung der Fremdsprachler. Fasziniert beobachte ich diese Prachtexemplare des Beamtentums. Erstaunlich wie die Mathelehrer mit ihrem Arm im rechten Winkel die Flasche ansetzen und mit einer konstanten Fließgeschwindigkeit von 50ml/sec. leeren.
Aber auch die Leistung der Französich-, Latein- und Englischlehrer ist nicht zu verachten. Durch ihren übermäßigen, allerdings mich kaum beeindruckenden, Alkoholgenuß haben sie die universelle Sprache des Lallens perfektioniert. Das sind Lehrer, die wirklich ihrer Rolle als Vorbild nachkommen. An der Theke angekommen frage ich den Oberstufenschüler des Abschlussjahrgangs freundlich nach einem kühlen Durstlöscher. Da der Mann mich kennt, füllt er mir gleich drei Krüge mit Gerstensaft. Mit einem Zug ist das erste Behältnis leer. Mit den anderen Beiden verabschiede ich mich von dem zukünftigen Wirtshauslehrling.
Mein Weg führt mich zur Tanzfläche, wo ich sehen muss, wie sich ein pädophiler Pädagoge an eine attraktive Zehnklässlerin ranmacht. Sein eigenartiger Tanzstil, ich glaube er heißt Atrithis, stimmt mich milde, zudem kommt mir eine alte Lebensweisheit in den Sinn: „Sie sind nie zu jung, höchstens zu eng“. Über diese Weisheit schmunzelnd setze ich meinen Weg fort.
Während der zwei Bierkrüge suche ich die gesamte Aula nach bekannten Saufkumpanen ab. Leider ohne Erfolg.

Ein stechender Schmerz im Unterleib zwingt mich zu Toilette. Dort treffe ich auf die Mathelehrer, stelle mich an das letzte freie Stehbecken, packe aus und schaue zur Seite. Diese Mathelehrer sind einfach erstaunlich. Sinus- und Cosinusförmig und sogar einmal in Parabelform wird der Urin ausgeschieden. Wahre Meister ihres Fachs. Nicht immer zielsicher, aber dafür begabt. Nach der Vorstellung klagt der Herr neben mir über die kalte Wassertemperatur. Ich verkneif mir ein Lachen und verpiss mich.

Oben angekommen, beginne ich die Party aktiv mitzugestallten. Als erstes hole ich die gelbe Tupperdose aus meiner Tasche. Deren Inhalt: Gemahlene bewusstseinsveränderne Pilze, die ich nach meinem Besuch bei der städtischen Tageszeitung erworben habe. An der Theke zwei neue Bier bestellt, nutze ich die Unaufmerksamkeit des Wirtes aus und gebe das Pulver in die riesige Punschschale. Zweimal umgerührt und schon kann der Spaß beginnen.
In den folgenden zwei Stunden beobachte ich unter ständigen Bierzunahme, wie die Punschschale von dem Leherkollegium geleert wird. Mittlerweile umringt von Gleichgesinnten beobachte ich die Wirkung auf die Lehrer. Diese reichen von leicht verwirrten Gesichtsausdrücken bis zu Koordinationsschwierigkeiten, bis jetzt.
Einer meiner Kameraden macht mich auf etwas aufmerksam. Meine Nemesis hat die Party betreten. Ein ehemaliger Waldorfschullehrer. Ein Fanatiker. Kein Alkohol, keine Zigaretten, keine Körperpflege. Obwohl ich sein meist tierisches Verhalten verachte, respektiere ich ihn. Sein instinktives Handeln ist schon an so manchen Tadel schuld. Auch jetzt scheint er wieder etwas zu wittern. Er schaut seinen Kollegen in die Augen, nickt wissend und kommt geradewegs auf mich zu.
Angst kommt in mir auf. Er bleibt in fünf Metern Entfernung stehen und winkt mich zu sich. Ich gehe zu ihm. Seine nach Fisch riechende Hand legt sich auf meine Schulter, sein Kopf neigt sich zu meinem Ohr, sein Mundgeruch bringt mir Übelkeit. Er fragt mich mit einem kaum wahrnehmbaren Flüstern was ich getan habe. Wohlwissend dass er eine Lüge sofort durchschauen würde, erzähle ich ihm von den Pilzen. Ich zucke zusammen. „Wäre es chemisch, würde ich jetzt die Bullen rufen“, sagt er mir. Ich steh wie versteinert da, als er geht. Ich kann kaum glauben was er gerade gesagt hat.

Ich kehre zur Bierbestellungsstelle zurück. Auf den Schreck erstmal einen Doppelten. Hop und Ex. Hmm, immer noch geschockt. Noch einen. Die anderen schauen mich fragend an, als Antwort gibt es von mir nur einen lauten Knall aus dem Rektalbereich.
Die ersten Takte eines Britney Spears Gejaule schaffen es. Ich raste aus. In geschlossener Formation folgen mir meine Untertanen zum DJ. Ein schneller Zugriff in SEK-Manier und wir haben die Kontrolle über das akustische Folterinstrument des Schleimers, dieser verbringt den Rest des Abends in der Abstellkammer der Putzfrauen, zwischen Meister Proper und irgendwelchen anderen gesundheitsschädlichen Mitteln.
Während wir den kleinen Musikbanausen zur Kammer begleiten, übernimmt einer meiner Gefolgsleute die Herrschaft über die Musik. Die geilste Partymucke der Welt läuft an: Dead Kennedys gefolgt von den Flippers und anderer WDR4-Größen. Durch den Alkohol und die gemahlen Pilze ihrer Steifheit beraubt, rekeln sichdie Lehrer auf der Tanzfläche. Wer hätte gedacht das man deutschen Schlagermit einer Mischung aus Foxtrott und Breakdance verbinden kann.
Die Halle füllt sich bis 22Uhr. Die Unterstufe wird von den wenigen nüchternen Lehrern vorsorglich nach Hause geschickt und die Oberstufe liefert sich mit den Lehrern so manches Wettsaufen. Auch die ersten Joints kreisen.
Nachdem der Marihuanageruch sich in der ganzen Halle verbreitet, hat entscheide ich mich für das Finale diesen Abends. Ich informiere alle Schüler das Schulgelände binnen zehn Minuten zu verlassen. Während sich alle aufmachen, telefoniere ich und befreie den von Putzmitteln benebelten DJ. Nachdem ich ihn nach oben gebracht habe, schütte ich vor seinen Augen leckeren Rum in seinen Computer und verschwinde. Als ich das Treppenhaus verlasse, höre ich bereits die Polizei. Ich beschleunige meinen Schritt und mache mich auf den Weg nach Hause guten Wissens mindestens den Rest der Woche keine Schule mehr zu haben.
Alles in allem ein gelungener Tag.

(© Stefan Götze – Vielen Dank!)